Landesfrauenrat: Pressemitteilung vom 9.2.2010
Das Chancengleichheitsgesetz droht zu scheitern.In den Chefetagen der Landesministerien gibt es immer weniger Frauen, obwohl die gesetzlichen Vorgaben anders lauten. „Seit 2005 soll das Landesgleichberechtigungs-gesetz dafür sorgen, dass Frauen der Weg in die Chefetagen der Landesverwaltung geebnet wird. Die Ministerien waren dabei in ihrer Vorbildfunktion besonders gefragt. Doch immer noch stoßen die Frauen hier an die gläserne Decke“, kritisiert die erste Vorsitzende des Landesfrauenrats (LFR), Angelika Klingel. Die Antwort auf eine parteiübergreifende Landtagsanfrage brachte kürzlich Licht ins Dunkel und ist alarmierend für den Landesfrauenrat (LFR), dem Sprachrohr von mehr als zwei Millionen verbandlich organisierten Frauen in Baden-Württemberg. Werde diese Beförderungspraxis beibehalten, so Klingel, betrage der Frauenanteil in den Ministerien in absehbarer Zeit auf der ersten Führungsebene (A 16) nur 20 % und auf den höheren Führungsebenen (B 3 und B6) sogar nur 10 %.
Die Ergebnisse zeigen, dass in den Jahren 2005 bis 2008 durchschnittlich in allen Ministerien 2,3-mal mehr Männer als Frauen in die Besoldungsgruppe A15 befördert wurden. Im Umweltministerium und im Innenministerium wurden sogar 5,5- bzw. 4,5-mal mehr Männer als Frauen nach A15 befördert. Mit 3,5-mal mehr Beförderungen von Männern als Frauen in die erste Führungsebene A16 (z. B. Referatsleitung) wird die Benachteiligung der Frauen gleichfalls deutlich. In die nächst höhere Führungsebene B3 wurden sogar 7,1-mal mehr Männer als Frauen befördert. Besonders hoch war der Anteil beförderter Männer im Innenministerium, hier wurden 24 Männer und nur eine Frau nach B3 befördert. Im Umweltministerium wurden ausschließlich Männer befördert und im Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum wurden 8-mal mehr Männer als Frauen befördert. In die Führungsebene B6 aller zehn Ministerien wurden insgesamt 6-mal mehr Männer befördert.
An der mangelnden Qualifikation der Frauen liegt es nicht. Betrachtet man die Trendentwicklung im Zeitraum 2005 bis 2008, so ist für die Besoldungsgruppe A15 der Anstieg bei den Frauen tatsächlich etwas stärker gewesen als bei den Männern. Bei der Beförderung in die Führungspositionen A16 und B3 wurden allerdings mehr Männer befördert, d.h. die Situation für Frauen hat sich tendenziell verschlechtert. Auch für die Beförderung nach A16 lässt sich nicht von verbesserten Beförderungschancen der Frauen reden.
Wirkungslos zeigt sich für Angelika Klingel das Chancengleichheitsgesetz auch an anderer Stelle: „Es ist erstaunlich, dass es in den untersuchten vier Jahren in den Ministerien nur zehn Fälle von Beanstandungen bei der Stelle für Chancengleichheit gab. Nach § 22 des Chancengleichheitsgesetzes können Frauen dadurch vor einer offensichtlichen Benachteiligung geschützt werden – wenn dieses Instrument auch eingesetzt wird.“
Die besten Studienabschlüsse werden zu mehr als 50 % von Frauen abgelegt; in der Landesverwaltung hingegen sind Frauen in nur knapp 15 % der Führungspositionen vorzufinden.
Hier sieht Angelika Klingel den künftigen Ministerpräsidenten Mappus am Zug: „Gerade in Krisenzeiten ist es für die Leistungsfähigkeit einer Verwaltung entscheidend, ob ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis vorliegt. In der jüngsten Wirtschaftskrise wird von Wissenschaftlern die Gleichförmigkeit männlicher Führungsgremien sogar als Weg ins Desaster angesehen. Aktuelle Studien über gemischte Führungsteams in europäischen Konzernen zeigen, dass mehr Frauen an der Firmenspitze gleichbedeutend sind mit mehr wirtschaftlichem Erfolg und Stabilität.
Allerhöchste Zeit, dass auch die Verwaltung entsprechend umdenkt und auf das vorhandene Potential der Frauen zurückgreift.“
Der LFR fordert deshalb dringend eine Objektivierung der Auswahlverfahren, konkrete Zielvorgaben zur deutlichen Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen sowie regelmäßige Berichtspflichten.
Esther Peylo Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit des Landesfrauenrats Baden-WürttembergBei Rückfragen zu erreichen unter 0177/604 19192