Freitag, 8. März 2013

Das gewachsene Frauenproblem der Liberalen

Aus Artikel Welt vom 6.3.2013: Frauen bläst in der FDP kalter Wind entgegen", beklagt die liberale Frauenorganisation. Nur etwa ein Fünftel der Parteimitglieder sind weiblich. Trotzdem: Die bekannteste FDP-Frau will keine Quote. Von Claudia Ehrenstein und Karsten Kammholz anchmal sprechen Fakten für sich. Nur 23 Prozent der gut 58.000 FDP-Mitglieder sind Frauen. CDU, SPD, Grüne und Linkspartei stehen in der Mitgliederverteilung teils deutlich besser da. Im Bundeskabinett stellen die Liberalen neben vier Männern nur eine Frau: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Justizressort. Die Union hat hingegen fünf Frauen neben sechs Männern an den Kabinettstisch entsandt. Ein Blick in die liberale Historie zeigt zudem: Neben Leutheusser-Schnarrenberger gab es bei der FDP nur eine zweite Bundesministerin in den vergangenen Jahrzehnten. Irmgard Schwaetzer leitete Anfang der 90er-Jahre das Bauressort. Hat die FDP ein gewachsenes Frauenproblem? So sehen es führende Politikerinnen der Partei. Zu ihnen gehört Mechthild Dyckmans, seit 2005 Bundestagsabgeordnete, inzwischen sogar Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Sie hält den Kurs der Partei für ausbaufähig, wenn damit Frauen gewonnen werden sollen. "Die Themen der FDP haben sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf Wirtschaft und Steuern verengt. Das hat Frauen nicht angesprochen, und es gibt auch kaum noch Persönlichkeiten, mit denen sie sich identifizieren können", sagt Dyckmans im Gespräch mit der "Welt". FDP muss wieder Gesichter zeigen Die FDP müsse wieder Gesichter zeigen und signalisieren: "Frauen und ihre Interessen sind uns wichtig." Nach Meinung der Politikerin war dies offenbar früher so: "Die FDP war, als ich eingetreten bin, die Partei für Frauen." Themen wie Scheidungsrecht, Ostpolitik, Friedenspolitik und der Paragraf 218 seien, so Dyckmans, vielen Frauen wichtig gewesen. Liberale Politikerinnen wie Liselotte Funcke und Hildegard Hamm-Brücher hätten der Partei ein weibliches Gesicht gegeben. "Frauen haben sich in der FDP gut aufgehoben gefühlt." Mit dem Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 habe die FDP aber viele Mitglieder verloren, auch viele Frauen. Doris Buchholz, Vorsitzende der Liberalen Frauen, ist ähnlich enttäuscht: "Frauen sind in der FDP noch immer unterrepräsentiert." Das zeigten allein schon die Landeslisten für die bevorstehende Bundestagswahl. "Nur wenige Frauen haben einen aussichtsreichen Listenplatz, noch weniger als vor vier Jahren", stellt Buchholz fest. "Es geht um Mehrheiten" Das Urteil der Chefin der Frauenorganisation: "Frauen bläst in der FDP ein kalter Wind entgegen." Immer wieder müssten Frauen feststellen, dass Qualifikation nicht das Kriterium für den Aufstieg sei. "Es geht um Mehrheiten. Und die bekommen diejenigen, die in einem großen Ortsverband oder auf Kreis- und Bezirksebene in einer Führungsposition sind – und das sind fast ausschließlich Männer", sagt Buchholz. Die Lebenswirklichkeit von Frauen werde von den Männern in der FDP zu wenig beachtet. "Minijobs, Altersarmut, Kinderbetreuung, das sind Themen, die Frauen umtreiben, und die in der Partei nur eine untergeordnete Rolle spielen." Die Perspektive der Unternehmen stehe zu sehr im Vordergrund und verhindere, "dass überhaupt darüber nachgedacht wird, welche die Auswirkungen bestimmte Regelungen auf die Situation von Frauen haben". Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel wünscht sich Veränderungen. "Wir machen gute Politik für Frauen. Aber wir müssen daran arbeiten, unsere Inhalte besser in die Lebenswirklichkeit von Frauen zutransportieren", sagt er der "Welt". "Wenn eine Frau bei uns mitarbeiten will und gute Ideen hat, dann bekommt sie alle Möglichkeiten in der FDP", stellt er klar. Dafür brauche man aber keine Frauenquote. Suding gegen die Quote Gegen eine Frauenquote spricht sich auch Katja Suding aus. Die Fraktionschefin in der Hamburger Bürgerschaft fordert mit Blick auf den Bundesparteitag und die Wahlen der Parteispitze am kommenden Wochenende: "Ins Präsidium sollten möglichst viele Frauen einziehen. Aber wir haben keine Quote. Wir wollen, dass die richtigen Personen oben stehen." Suding selbst will sich offen lassen, ob sie für das Präsidium kandidiert. Vom restlichen Personaltableau soll es abhängen – und vermutlich auch von der Frage, wie viele Frauen in der neuen Parteispitze vertreten sein könnten. Sie fühle sich in der FDP nicht einsam als Frau, sagt die Hamburgerin. Aber: "Natürlich wünsche ich mir, dass wir mehr Frauen wären. Ich spreche auch Frauen an, um sie für die Partei zu gewinnen." Schwer vorhersehbar ist, ob der Bundesparteitag in Berlin auch Gewinnerinnen hervorbringen wird. Als einzige Frau gilt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bei den Vize-Wahlen erneut als gesetzt.